Kritiker: Das Gewerbegebiet ist überflüssig

(Quelle Braunschweiger Zeitung vom 24.03.2018)

Edgar Vögel, Sprecher der Bürgerinitiative Südwest-BS, kennt erste Ergebnisse der Machbarkeitsstudie.

Im Südwesten unserer Stadt, in unmittelbarer Nähe der Dörfer Stiddien und Geitelde, könnte das größte Industrie- und Gewerbegebiet der Region entstehen. Wie berichtet, arbeiten die Städte Braunschweig und Salzgitter derzeit an einer Machbarkeitsstudie. Die Ergebnisse werden mit Spannung erwartet - auch von der Bürgerinitiative Südwest-BS. Ihr Sprecher Edgar Vögel kritisiert im Interview das Vorhaben - und hält das Gewerbegebiet für überflüssig.

Herr Vögel, warum engagieren Sie sich gegen das geplante Gewerbegebiet?

Ich kenne dort jeden Stein, denn ich bin dort oft mit dem Fahrrad unterwegs. Vor gut einem Jahr war ich bei der ersten Info-Veranstaltung in Geitelde. Seitdem beschäftige ich mich mit dem Thema - und es tun sich Abgründe auf.

Geben Sie bitte ein Beispiel.

Nun, da gibt es etwa den "Luftreinhalteplan" der Stadt von 2011. Darin geht es um das Klima und die Luft in der Stadt. Darin steht, dass der Wind an den meisten Tagen aus westlicher oder südwestlicher Richtung weht und so frische Luft in die Innenstadt bringt. Die großen Ackerflächen im Südwesten, auf denen nun das Gewerbegebiet geplant wird, sind demnach die grüne Lunge der Stadt.
Der Gutachter kommt zu dem Schluss, dass eine Bebauung und Versiegelung in diesem Gebiet nur in Ausnahmefällen erfolgen sollte. Wenn dort Industrie und Gewerbe angesiedelt werden, ist es mit der sauberen Luft vorbei.

  Edgar Vögel (67) aus Timmerlah ist der neue Sprecher der Bürgerinitiative Südwest-BS. Er folgt damit auf Klaus Werner, der Ende 2017 unerwartet gestorben ist. Vor seiner Pensionierung war Vögel stellvertretender Schulleiter des Kranich-Gymnasiums in Salzgitter.

Es geht den Kritikern aber auch um die Ackerflächen, oder?

Bei den Ackerflächen dort handelt es sich um die fruchtbarsten Böden in Europa. Das muss man sich mal vorstellen: Dass die besten Böden, auf denen die höchsten Erträge erzielt werden können, absichtlich und unwiederbringlich zerstört werden sollen. Das ist schwer auszuhalten, finde ich.

Gibt es weitere Punkte, die Sie kritisieren?

Ja, beispielsweise, was den Verkehr angeht: Oberbürgermeister Ulrich Markurth hat gesagt, der Verkehr werde komplett über die A 39 gehen. Das wird so nicht sein: Schon allein wegen der Maut werden viele LKW über die Dörfer fahren. Hinzu kommt, dass die A 39 an etlichen Tagen im Jahr dicht ist. Das bekommen wir Anwohner in den Ortschaften schon jetzt deutlich zu spüren.

Die meisten Einzelgutachten für die Machbarkeitsstudie liegen bereits vor. Es hieß, man prüfe ergebnisoffen ...

Das glaube ich nicht. Salzgitters Oberbürgermeister hat im April 2016 gegenüber Ihrer Zeitung gesagt: Das Gebiet werde kommen - in der Studie gehe es nicht um das Ob, sondern um das Wie. Dafür spricht auch, dass mit dem Teilgutachten zur Realisierung ein Beratungsunternehmen beauftragt wurde, das sein Geld eigentlich mit der Umsetzung von Industrie- und Gewerbeflächen für Kommunen verdient. Es ist kaum zu erwarten, dass diese Firma von einer Realisierung abrät.

Sind Ihnen schon Teilergebnisse bekannt?

Das faunistisch-floristische Teilgutachten liegt uns vor. Rund um den Ellernbruchsee gibt es einige geschützte Arten: Rebhühner, Feldlerchen, Schafstelze und Feldhamster. Nördlich des Sees gibt es Kammmolche. Der Gutachter schätzt, dass die Umsiedlung und die Schaffung von Ausgleichsflächen rund fünf Millionen Euro kosten würde. Hinzu kämen Millionen für den Kauf der Ackerfläche sowie für die Erschließung des Geländes. Die Investition wird also erheblich sein. Und das, obwohl dieses Gewerbegebiet gar nicht gebraucht wird.

Wie kommen Sie darauf? Die Stadt ist auf die Einnahmen aus der Gewerbesteuer angewiesen und hat kaum noch freie Flächen.

Es gibt genug freie Gewerbeflächen in Salzgitter, die die Stadt seit Jahren nicht loswird. Und die Stadt Braunschweig würde gerne mit Fördergeldern die 222 Hektar am Rangierbahnhof im Stadtzentrum kaufen, um dort Wohngebiete und Gewerbeflächen zu entwickeln. Das sollte reichen.

Die Ergebnisse der Machbarkeitsstudie waren für Anfang 2018 versprochen - nun wird es wohl Mai oder Juni. Warum die Verzögerung?

Das rechtliche Gutachten liegt noch nicht vor. Darin geht es um einen heiklen Punkt: Politik und Verwaltung wollen die Ansiedlung von atomverarbeitenden Betrieben ausschließen. Dies rechtssicher zu formulieren, könnte schwierig werden.